Sehr geehrte Damen und Herren,
die Bundesregierung hat in diesen Tagen wiederholt und nachvollziehbar deutlich gemacht, dass das Corona-Virus eine ernsthafte Herausforderung für die gesamte Gesellschaft darstellt. Zwischenzeitlich wächst auch in der Wirtschaft insgesamt sowie in den einzelnen Unternehmen und Betrieben die Sorge hinsichtlich der Auswirkungen dieser Pandemie. Die Absage von Messen und Großveranstaltungen sowie der Rückgang der Reisetätigkeit wirken sich zunehmend auf die Dienstleistungsbranche, insbesondere auf Logistik, Handel, Gaststätten sowie Tourismus aus. Zugleich geht die Auslandsnachfrage zurück und nationale sowie internationale Lieferketten werden gestört; die Auswirkungen zeigen sich bereits in Form eines Rückgangs der hiesigen Produktion.
Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung ein breit aufgestelltes Maßnahmenpaket zur Abfederung der Auswirkungen des Corona-Virus auf den Weg gebracht. Das Bundesministerium der Finanzen hat gemeinsam mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Ende vor vergangener Woche die Einzelheiten des Schutzschildes für Beschäftigte und Unternehmen vorgestellt. Neben der Flexibilisierung der Regelungen zum Kurzarbeitergeld sowie der Ausweitung von Liquiditätshilfen für betroffene Unternehmen in Form von vereinfachten Zugangsmöglichkeiten zu Krediten und Bürgschaften werden auch steuerliche Liquiditätshilfen vorgehalten.
Aus Sicht des GKV-Spitzenverbandes ist es daher angebracht, den Unternehmen, die sich trotz der von der Bundesregierung bereits ergriffenen Maßnah- men in ernsthaften Zahlungsschwierigkeiten befinden, durch geeignete Maß- nahmen zur Vermeidung unbilliger Härten auch seitens der Sozialversicherung entgegen zu kommen und dabei von den durch das Gesetz eröffneten Möglichkeiten großzügig Gebrauch zu machen. Nachstehend informieren wir über die aus beitragsrechtlicher Sicht zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Unterstützung:
Werden Beiträge nicht bis zu den jeweils zu berücksichtigenden Fälligkeitsterminen gezahlt, sind gemäß § 24 SGB IV grundsätzlich Säumniszuschläge für jeden angefangenen Monat der Säumnis zu zahlen. Darüber hinaus sind nach den Vollstreckungsgesetzen der Länder bzw. des Bundes ggf. Mahngebühren zu berechnen. Zur Vermeidung der sich in der Folge möglicherweise anbahnenden Vollstreckung ist die Stundung von Beiträgen nach § 76 Abs. 2 Satz 2 SGB IV grundsätzlich nur gegen angemessene Verzinsung und in der Regel nur gegen Sicherheitsleistung möglich (vgl. hierzu auch §§ 3 und 4 der Beitragserhebungsgrundsätze des GKV-Spitzenverbandes).
Durch die zunehmenden Auswirkungen der Pandemie in weiten Teilen Deutschlands können sich insbesondere für Unternehmen/Betriebe und Selbstständige unvorhergesehene Zahlungsprobleme und damit auch Vollstreckungsprobleme ergeben. Gleichwohl gelten auch für die von der aktuellen Krise betroffenen Zahlungspflichtigen grundsätzlich die Regelungen über die Stundung von Beiträgen, den Erlass von Säumniszuschlägen und die Aussetzung der Vollziehung.
In Abstimmung mit den Spitzenorganisationen der Sozialversicherung empfehlen wir, den von der aktuellen Krise unmittelbar und nicht unerheblich betroffenen Unternehmen/Betrieben aufgrund dieser besonderen Ausnahmesituation nachstehende Hilfestellungen insbesondere in Form eines erleichterten Stundungszugangs anzubieten. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass vorrangig die mit dem "Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für Kurzarbeitergeld" (vgl. BGBL Teil I vom 14. März 2020, Seiten 493 ff.) sowie mit der Verordnung der Bundesregierung über Erleichterungen der Kurzarbeit (Kurzarbeitergeldverordnung – KugV) geschaffenen Entlastungsmöglichkeiten in Anspruch genommen werden. Darüber hinaus sind vorrangig sonstige Unterstützungs- und Hilfsmaßnahmen zu nutzen, wie etwa die Fördermittel und Kredite, die unter der Federführung des Bundesministeriums der Finanzen und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie als Schutzschirme vorgesehen sind. Die dadurch den Unternehmen zur Verfügung stehenden bzw. freiwerdenden Mittel sind nach entsprechen- der Gewährung auch für die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge ein- schließlich der bis dahin gestundeten Beiträge zu verwenden. In den Stundungsvereinbarungen bzw. in den positiven Stundungsbescheiden ist hierauf explizit hinzuweisen.
Der zeitlich zunächst eng gefasste Korridor des nachfolgend beschriebenen erleichterten Stundungszugangs gründet sich auf der Annahme, dass die Re- gelungen zum Kurzarbeitergeld kurzfristig greifen und die angesprochenen Schutzschirme zur Anwendung kommen können - und in der Folge die Unter- nehmen in der Lage sind, auf weitere (vereinfachte) Stundungen zu verzichten. Voraussetzung für den erleichterten Stundungszugang ist nach wie vor, dass die sofortige Einziehung der Beiträge ohne die Stundung trotz vorrangiger Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld, Fördermitteln und/oder Krediten mit erheblichen Härten für den Arbeitgeber verbunden wäre; dies ist in geeigneter Weise darzulegen. An den Nachweis sind den aktuellen Verhältnissen angemessene Anforderungen zu stellen. Eine glaubhafte Erklärung des Arbeitgebers, dass er erheblichen finanziellen Schaden durch die Pandemie, beispielsweise in Form von erheblichen Umsatzeinbußen, erlitten hat, ist in aller Regel ausreichend.
Auf Antrag des Arbeitgebers können die bereits fällig gewordenen oder noch fällig werdenden Beiträge zunächst für die Ist-Monate März 2020 bis Mai 2020 gestundet werden; Stundungen sind zunächst längstens bis zum Fälligkeitstag für die Beiträge des Monats Juni 2020 zu gewähren.
Einer Sicherheitsleistung bedarf es hierfür nicht. Stundungszinsen sind nicht zu berechnen. Es bestehen keine Bedenken, wenn hiervon auch Beiträge erfasst werden, die bereits vor dem vorgenannten Zeitraum fällig wurden, unabhängig davon, ob bereits eine Stundungsvereinbarung geschlossen wurde oder andere Maßnahmen eingeleitet wurden.
Die nach § 76 Abs. 3 Satz 2 SGB IV bei einer Stundung von wertmäßig be- stimmten Beitragsansprüchen von mehr als zwei Monaten verpflichtend vor- gesehene Unterrichtung der Träger der Rentenversicherung und der Bundesagentur für Arbeit wird für erleichterte Stundungen, die nach Maßgabe dieses Rundschreibens gewährt werden, ausgesetzt. In diesen Fällen gilt das Ein- vernehmen mit den beteiligten Fremdversicherungsträgern als hergestellt.
Unterstützung der betroffenen Mitglieder
Die vorgenannten Hilfestellungen und Unterstützungsmaßnahmen gelten ent- sprechend für Mitglieder der GKV, die ihre Beiträge selbst zu zahlen haben, sofern sie von der aktuellen Krise unmittelbar und nicht unerheblich betroffenen sind.
Dabei ist bei Selbstständigen zu prüfen, ob vor einer Stundung auch die Möglichkeit einer Beitragsermäßigung wegen eines krisenbedingten Gewinneinbruchs in Betracht kommt. Kommt eine Beitragsermäßigung in Betracht, sind die Hürden für den Nachweis einer unverhältnismäßigen Belastung im Sinne des § 6 Abs. 3a und § 6a Abs. 3 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler abgesenkt. Bis auf Weiteres können die Krankenkassen anstelle von ansonsten in diesem Verfahren vorgeschriebenen Vorauszahlungsbescheiden auch andere Nachweise über die geänderte finanzielle Situation des Selbst- ständigen akzeptieren. Dies sind z. B. Erklärungen von Steuerberatern, finanz- und betriebswirtschaftliche Auswertungen oder auch glaubhafte Erklärungen von Selbstständigen über erhebliche Umsatzeinbußen.
Mit freundlichen Grüßen GKV-Spitzenverband